Stralsund ist die attraktive Basis, um mit Rad, Schiff und Bahn in der Nebensaison von der Hansestadt aus die Inseln Rügen, Hiddensee und die Halbinsel Fischland-Darß-Zingst zu erkunden.
Hamburg, Bremen und Lübeck kennen viele. Aber wer weiß schon, dass mindestens 27 deutsche Städte den Namenszusatz Hansestadt führen. Stralsund zählt auch dazu und war einst im Mittelalter sogar Gründungsmitglied der Hanse. Heute ist die Hafenstadt am Strelasund nicht nur Ausgangspunkt zu den Ostseeinseln Rügen und Hiddensee, sondern auch attraktiver Stopp am Ostseeküstenradweg.
Und wo trifft man sich in Stralsund? Gerne in einem Café am Alten Markt, dem großen, autofreien Platz vor dem historischen Rathaus. Das markante Gebäude im Stil der norddeutschen Backsteingotik zählt übrigens zum Kernbereich der von der UNESCO als Weltkulturerbe ausgezeichneten Historischen Altstädte Stralsund und Wismar. Das bedeutet ein Ambiente, (fast) wie aus einem alten Kostümfilm, alles überragt von der Pfarrkirche St. Nikolai. Fleischer, Bäcker oder Fischer haben heute keine Stände mehr auf dem Alten Markt. Dafür stehen rundherum Tische und Stühle von Gasthäusern und netten Cafés. An der Fontaine planschen kleine Kinder, während ihre Mütter nebenan im La Mer einen Latte Macchiato trinken. Hier kann man also gut nach einem kleinen Koffein-Schub seine Radeltour in die Vorpommersche Umgebung starten.
Das Kopfsteinpflaster in den Gassen rüttelt erst mal wach. Vielleicht sollte man auch mal anhalten, um sich auf dem Weg Richtung Hafen die wunderbar restaurierten ehemaligen Kaufmannshäuser anzusehen. Und am Hafen warten dann noch die Gorch Fock I. und das Ozeaneum zur Besichtigung. Aber diese Kulturerlebnisse sparen sich viele für weniger radfreundliches Wetter auf. Ein erster Ausflug führt gerne hinüber in den Süden der Insel Rügen. Auf der großen Rügenbrücke, seit 2007 ein neues Wahrzeichen von Stralsund, herrscht Radelverbot. Deshalb führt die Radroute über kleinere Brücken und den Rügendamm zur vorgelagerten Insel Dänholm und weiter zu Deutschlands größter Insel. Dort gilt ein erster Stopp dem kleinen Hafen in Altefähr. Dorthin gelangt man auch mit dem Fährschiff von Stralsund – wie früher, nur nicht mehr mit dem Raddampfer. Zwischen den Segeljollen und dem Fähranleger hat man nämlich den besten Blick auf die Silhouette von Stralsund. Vorbei an der geschichtsträchtigen St. Nikolaikirche und einige schmucken Reetdachhäusern führt unsere 50-Kilometer-Tour durch den Südwesten Rügens. Weites Land, Wind und viel Ruhe erwarten den Radler jenseits der B96 auf dem Weg zu den Weilern Grabitz, Rambin und Drammendorf. Über die Neun Berge – es sind eher neun sehr sanfte Hügel, über die viele Märchen erzählt werden – führt die Strecke wieder Richtung Süden, vorbei an weiten Feldern und Bauernhöfen. Spätestens in Poseritz lockt ein überaus sympathischer Stopp: Café und Hofladen der Molkerei „Rügener Inselfrische“. Der Radlermagen lässt sich dort auf angenehme Weise füllen, etwa mit frischem Joghurt mit Früchten, Kaffee und Kuchen, aber auch Deftigem, wie Backkartoffeln mit Matjes oder Sülze.
Die Radlerdichte auf den Wirtschaftswegen rundherum hält sich durchaus in Grenzen. Erst, wenn man sich wieder dem Strelasund nähert, wird es auf den Wegen, die auch mal kurzfristig nur ein Pfad sein können, etwas belebter.
Etwas belebter zeigt sich meist auch die Insel Hiddensee. Das schmale, 17 km lange Eiland im Westen, im vergangenen Jahrhundert Rückzugsort vieler Künstler und Literaten, wie Erich Heckel und Gerhard Hauptmann, verlangt trotzdem nach einem Besuch. Also morgens vom Radlerhotel schnell zum Fährhafen, mitsamt dem Rad aufs Schiff und sich erstmal 1,5 bis 2 Stunden Seeluft um die Nase wehen lassen. Aber die Fähre nicht verpassen! Ab Stralsund verkehrt sie nur einmal am Tag. Unser Tipp: Mit dem Rad im Inselsüden in Neuendorf aussteigen und im Norden in Kloster am Nachmittag wieder an Bord gehen. Dazwischen radelt man durch liebliche Dünen- und Heidelandschaft. Hinter dem Damm lockt ein ausgedehnter Sandstrand. Genauso attraktiv sind für Radler die schnuckeligen Cafés und die Kioske mit den obligatorischen Fischbrötchen – und dazu vielleicht ein alkoholfreies Hiddensee-Weizen. Hier denken sicher sich wohl so manche, dass man hier auch mal ein paar geruhsame Ferientage in einem Reetdachhäuschen verbringen sollte. Im Norden der Insel bleibt das Rad dann mal eine Weile stehen. Denn hinauf zum Leuchtturm „Dornbusch“ und Insel-Ausblick ist es nicht nur ordentlich steil, sondern es gilt auch ein Fahrradverbot. Aber die Bergtour lohnt sich, allein wegen des 360-Grad-Rundblicks auf Ostsee, Rügen und Hiddensee.
Weitere Tagestouren von Stralsund führen etwa zur Boddenküste und nach Fischland-Darß-Zingst. Vor allem Hobby-Ornithologen dürften sich begeistern für einen Ausflug nach Barhöft. Der winzige Ort am Eingang zum Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft war früher Stützpunkt der Nationalen Volksarmee der DDR. Heute trifft man dort vor allem Segler und Naturliebhaber. Die 13 km lange Radstrecke nach Barhöft zieht sich überwiegend verkehrsfrei, meist am Meer entlang. Alles quasi ohne Steigungen, nur ab und zu mit kräftigem Gegenwind. Im Nationalpark verjüngt sich der Weg kurzzeitig sogar mal zum Wiesenpfad. Kein Problem! Dabei sollte aber kein Fahrradfan den Aufstieg auf den Backsteinturm vergessen. Lohn fürs Treppensteigen ist der Ausblick auf die Halbinsel Zingst, die Inseln Bock, Hiddensee und Rügen sowie zurück bis Stralsund. Und natürlich auf die vielen Vögel und die üppig grüne Natur. Der Kiosk und Krämerladen „Proviantkiste“ am kleinen Hafen von Barhöft bietet danach alles für Radler und Seeleute, vom Angelhaken bis zur Zahnpasta, vom Cappuccino bis zum Matjesbrötchen. Und dabei lässt es sich bequem in der Sonne sitzen und auf die Jollen kieken.
Wer schließlich für eine Fahrrad-Tagestour von Stralsund nach Usedom oder Fischland-Darß-Zingst radeln möchte, nimmt für die ersten Kilometer am besten die Regionalbahn nach Ribnitz-Damgarten bzw. nach Zinnowitz, sonst wird die Radelstrecke wohl für die meisten etwas zu lang. Aber Stralsund bietet sich auch für einen Ruhetag an. Dieser ließe sich bestens mit einer Stadtführung kulturell aufpeppen. Es gibt jedenfalls genügend Spannendes und Historisches anzuschauen.
Gut zu wissen
Mehr zu Stralsund: stralsundtourismus.de
Fahrradverleih in Stralsund: fahrrad-wollmann.de - fahrrad-verleih-stralsund
Radfahren auf Rügen: ruegen.de/aktiv-und-natur/radfahren - radfahren-auf-ruegen.de
Radfahren in Fischland-Darß-Zingst: fischland-darss-zingst.de/erleben/radfahren.html
Radlerhotel Am Jungfernstieg (Bett&Bike-Hotel ADFC), hotel-am-jungfernstieg.de
Radreiseveranstalter aus Stralsund (Spezialist für die Ostsee): mecklenburger-radtour.de
Über den Autor*Innen
Armin Herb
Seit Kindheitstagen sitzt der studierte Geograf auf dem Fahrrad und erkundet die Landschaft in Nah und Fern. Allerdings ist er auch gerne zu Fuß unterwegs, insbesondere in den Alpen und im Schwarzwald. Er publizierte rund zwanzig Bücher zum Thema Radfahren und Mountainbiken und schreibt bis heute Beiträge über Reisen, Radfahren, Wandern und Wintersport für Tageszeitungen, Online-Portale und Fachmagazine.