Mexiko – Stiere und Charros

Mexiko – Stiere und Charros - eine fremde, emotionale Welt empfängt den Reisenden - (c) Irina Grassmann

Mexiko, kaum wird der Name dieses Landes ausgesprochen entsteht bei vielen Lesern sicherlich Fernweh. Nur wenigen ist bewusst, dass dieses Land südlich der vereinigten Staaten größtenteils zu Nordamerika gehört. Lediglich der südliche Teil gehört zur Zentralamerikanischen Landbrücke, was geographisch allerdings ebenfalls Nordamerika zuzuordnen ist. Einige Reiseveranstalter bieten Radreisen in diesem pulsierenden Land an und oft kann man so die Mexikaner und ihre Rituale und Bräuche hautnah erfahren. Unsere Autorin Irina Graßmann hat diesen Artikel der Tradition der Charros, der mexikanischen Cowboys, gewidmet.

Wir kommen zur Hacienda und sehen die Rinderherde hinter dem Zaun. „Jeder denkt, dass diese Bullen sehr ruhig sind. Diese Stieren neigen aber dazu, sich gegenseitig zu töten“, erzählt Gustavo Torres, Direktor General de Imagen Institucional (PR und Marketing-Direktor) der Provinz Hidalgo, Mexico”. „Die Rasse, aus der diese Bullen stammen, trägt die Tapferkeit seit Generationen im Blut. Sie rammen und attackieren sich gegenseitig und dabei bliebt definitiv einer auf der Strecke", sagt Gustavo. Auf der Hazienda wurden wir herzlich aufgenommen, wie auch überall in Hidalgo. Wir fühlen uns sofort wie Zuhause.

Ein „Cabrio-Bus“ fährt auf der nicht asphaltierten, holprigen und staubigen Straße bis zum „Lienzo Charro“. So werden in Mexico Rodeoplätze genannt. Der „Marsch von Zacatecas“ erklingt und kurz darauf folgt die blecherne die Stimme des Kommentators. In traditioneller Charro-Kleidung und in berittener Formation kommen die Charros in die Arena. Der „Charro“ in Mexico, auch Vaquero genannt, ist der „Gaucho" in Argentinien oder der „Cowboy“ in der USA. Die Provinz Hidalgo ist die Wiege der „Charrería“, diese stolze und elegante Figur des berittenen Viehhüters ist bis heute ein nationales Symbol und Hauptprotagonist des Nationalsports Mexikos.

In der Arena reiten die Charros im Kreis, um ein junges Kalb unter Kontrolle zu bekommen. Damals bestand ein großer Teil der täglichen Aufgaben in den Farmen darin, das Vieh zu fangen, zu kontrollieren, auszumustern, zu kurieren, Parasiten-Kuren zu unterziehen und zu brandmarken. Die Geschicklichkeit dieser Tätigkeiten wird heute in einer Charrería mit einer großen Portion Engagement und Leidenschaft vor Publikum vorgeführt. Mit der Unterstützung der kompletten Mannschaft der Charra Arriata wurde der Stier am Kopf und an den Hinterbeinen gefesselt und niedergezogen. Sobald der Bulle auf dem Boden lag, wurde er kastriert, kuriert oder gebrandmarkt.“ Heute gibt es in Mexiko um die 800 Charro-Teams und noch ca. 200 in den USA. „Die Charrería, das „Charro-Glück“, wurde auf dem freiem Feld geboren. Das wichtigste Werkzeug ist das Pferd. Das Ziel ist, den Schwanz des Stiers zu ergreifen und ihn zu Boden zu werfen.

Die Charrería durchdringt alle Generationen der Charros. Die ganze Familie fühlt sich als Teil davon. Ob die Kinder auf Holz-Pferdchen, die Damen in ihren wunderschönen folkloristischen Kleidern und die Herren in voller Montur auf den Pferden, sie sind alle ein Teil der Veranstaltung. Die fröhliche und ausgelassene Stimmung wird spannend und erwartungsvoll. Die Worte des Kommentators treten im Hintergrund, während ich wieder Gustavos zuhöre: „Ein Stier, der hier im Einsatz war, kommt nie mehr in die Lienzo-Arena“, denn jeder Stier betritt den Ring nur ein Mal in seinem Leben. „Es sind immer „neue“ Stiere“, erklärt Gustavo. Wenn die Bullen einmal in der Arena waren, haben sie bereits „Instinkt bekommen“, wörtlich übersetzt aus dem Spanischen. Das Tier weiß ab jetzt, auf was es sich einlässt. Es erkennt jetzt den „Lienzo“, die Rodearena, das Tuch und die Gatter. Für diesen Stier ist es alles klar, er hat es gelernt. Dieser „Bulle wäre jetzt für einen weiteren Stierkämpfer viel zu gefährlich“.

Der Bulle geht einfach seinem Instinkt nach. Er greift einfach alles an, was sich bewegt. Traditionell gibt es die Rodeo-Umhänge in den Farben Rot oder Fuchsia. Sie könnten aber auch jede beliebige Farbe haben, denn der Bulle sieht keine Farben, er reagiert auf schnelle Bewegungen“, kommentiert Gustavo. Stierkämpfer haben allerdings einen großen Vorteil, denn der Stier sieht nur in einem kleinen Winkel genau direkt vor seiner Stirn scharf. Jede Bewegung, die außerhalb dieses kleinen Sichtfeldes stattfindet, existiert für den Stier einfach nicht. Dort ist Raum für Clowns und andere Showfüller, die diesen blinden Winkel nutzen, um das Schauspiel für das Publikum zu ergänzen“.

Nur wenn sich der Stierkämpfer in diesem Winkel sehen lässt oder zu nahekommt, besteht die Gefahr, dass der Stier nicht mehr den Umhang angreift, sondern den Menschen. Das sind die Momente, in denen der Mann in Gefahr ist. Es ist nur ein kurzer Augenblick und die Show kann ein blutiges Ende für den Stierkämpfer bekommen. Gustavo erklärt: „Ein tapferer Stierkämpfer ist derjenige, der nach der Show Blut an seiner Kleidung hat, denn das bedeutet, dass der Stier ihm sehr nahegekommen ist. Der Stierkämpfer muss alles riskieren, damit er wie ein Star gefeiert werden kann.“

Einige Zuschauer sehen weg, während andere applaudieren, wenn der Stierkämpfer den Stier besiegt. Anschließend führt Charro Marcelo Arrieta seine Kunst mit dem Lasso vor. Sein „Floreo de Salon“, sein Trickseilen, besteht aus verschiedenen Bewegungen, die zwar teils sehr lustige Namen haben, aber auch so offiziell in der Charro-Verordnung beschrieben werden: „Pico de Gallo“ (Hahnschnabel), „der Tänzer“, „vorbei am Skorpion", „kniend“, „schlafend“, „Reise zum Mond“. Anschließend spielen Mariachis, eine mexikanische Musikgruppe, in ihrer bunten, traditionellen Kleidung und folkloristische Tänze werden dazu aufgeführt.

Weitere Informationen
www.turisticahidalgo.com/item/58-la-cuna-de-la-charreria.html
www.turismomexico.es  
www.visitmexico.com

Über den Autor*Innen

Irina Grassmann

Als Tochter einer deutschen Familie und in Argentinien aufgewachsen, hat Frau Graßmann von klein auf beide Kulturen und Mentalitäten kennengelernt und liebgewonnen. Daraus entstand eine „Argentinierin Made in Germany“, eine Mischung aus südamerikanischer Lebensfreude und europäischem Sinn für Organisation und Qualität.

Vor, während und nach ihrem 5jährigen Tourismusstudiums an der Universität in Buenos Aires hat sie jede Gelegenheit genutzt, ihre Heimat immer wieder und ausgiebig zu bereisen.