Bad Reichenhall, das Städtchen ganz im Südosten Deutschlands, trägt noch ein bisschen das Image des altehrwürdigen Kurortes mit sich herum. Das hat allerdings auch einen gewissen Reiz. Die Alte Saline Bad Reichenhall sieht von außen aus wie eine Kathedrale – eine Kathedrale des Salzes. „Reich an Hall“ bedeutet ursprünglich auch reich an Salz. Innen und unter Tage zählt die Alte Saline zu den bedeutendsten Industriedenkmälern Bayerns. Wer etwas mehr über die Geschichte, Tradition und Bedeutung des Salzes lernen möchte, kommt um einen Besuch mit Führung kaum herum. Die historische und moderne Salzgewinnung wird in den Gewölben und Stollen anschaulich und lebendig erklärt. Übrigens: Bereits im Jahr 1846 erhielt das Gebäude das Ehren-Prädikat „schönste Saline der Welt“.
Ähnlich mondän wie die Alte Saline wirkt auch der königliche Kurgarten mit dem historischen Kurhaus. Wo sich einst Adel und Prominenz zum Flanieren trafen, erfreuen sich heute Kurgäste über die Gartenkunst. Oder sie wandeln um das benachbarte Gradierhaus, dem größten Freiluft-Inhalatorium der Alpen. Der positiven Wirkung des Solenebels auf die Atemwege verdankt Bad Reichenhall übrigens auch seinen Status als Kurort.
Seinen Ruf als attraktiver Alpenort verdankt Bad Reichenhall aber nicht nur dem Kurgarten und der Salzgewinnung, sondern vor allem auch der Bergwelt drum herum. So fährt quasi von der Innenstadt seit 1928 die Predigtstuhlbahn auf den 1613 m hohen Gipfel. Sie ist die älteste im Original erhaltene Großkabinen-Seilbahn der Welt – natürlich stets exzellent gewartet. Aber die vielen Gäste mit E-Bike oder Mountainbike, die man durch die Fußgängerzone schlendern sieht, wollen natürlich lieber selbst aktiv werden. Und das ist in Reichenhall kein Problem, zumal viele Touren quasi in der Innenstadt beginnen. Zum Beispiel Richtung Thumsee, wo sich im Sommer am klaren, türkisgrünen Bergsee nicht nur die Einheimischen zum Planschen treffen. Auf dem Weg dorthin kann man sich beim Aktivsein auch gleich kulturhistorisch informieren. Von weitem sind auf einem bewaldeten Felsrücken, dem Pankrazfelsen, das Wallfahrtskirchlein St. Pankraz und die Burgruine Karlstein aus dem 12. Jh. auszumachen. Wer hinauf möchte zum nicht alltäglichen Ausblick über die Stadt, muss aber jeweils einen 15-minütigen gesicherten Steig mit etlichen Stufen bewältigen. Das Bike muss unten bleiben.
Deutlich weiter hinauf in die Berge führt hinter dem Thumsee eine Mountainbike-Route zur Höllenbachalm. Auf einer großen Bergwaldlichtung steht das alte, sonnengegerbte Almhaus, wo Hans und Charlotte Gruber ihre Gäste ausschließlich mit Selbstgemachtem aus der eigenen Käserei und Metzgerei verköstigen. „Tiefkühlkost und Fertiggerichte bekommt ihr bei uns sicher nicht vorgesetzt,“ beschwört die freundliche Wirtin.
Falls jemand nicht den gleichen Weg zurückfahren möchte und lieber Richtung Weißbach abfährt, darf oder kann sich noch auf einen abenteuerlichen Abstecher freuen – auf den atemberaubenden Pfad durch die Weißbachklamm. Der Steig am tosenden Bach zwischen den schier himmelhohen Felswänden ist gut gesichert, sollte aber bei Regen oder drohendem Gewitter aus Sicherheitsgründen gemieden werden.
Die beeindruckende Bergkulisse von Bad Reichenhall prägen nicht nur der Hochstaufen (1771 m) mit dem Reichenhaller Haus kurz unter dem Gipfel, und der wuchtige Untersberg (1973 m), berühmt für seine Höhlensysteme. Markanter und einzigartiger ist noch die sagenumwobene „Schlafende Hexe“. Gemeint ist damit das zerklüftete Lattengebirge zwischen Bad Reichenhall und Bischofswiesen, genauer gesagt die Rotofentürme, deren Felskonturen tatsächlich an eine riesige, versteinerte Hexe erinnern. Eine der schönsten Mountainbike-Touren der Region führt um das ganze Lattengebirge herum. Rund 35 abwechslungsreiche Kilometer und 820 Höhenmeter, eine ideale Route fürs E-Mountainbike: Los geht’s mit gemütlichem Einrollen auf dem Saalach-Radweg entlang des Stausees Richtung Schneizlreuth. Nach einem kurzen Stück auf der Alpenstraße biegt man ab hinunter ins Tal des Schwarzbaches. Dort lohnt sich ein kurzer Abstecher zu Fuß zum Schwarzbachloch, wo der Schwarzbach schwungvoll aus einer Höhle sprudelt. Nach Regenfällen umso höher und üppiger. Der nächste spannende Stopp dreht sich auch um Wasser. Der Taubensee bei Ramsau gilt als Naturdenkmal, weil er Lebensraum ist für seltene Pflanzen und Tierarten, wie den Bergmolch. Und ein grandioses Motiv für Landschaftsmaler, denn im Hintergrund erheben sich dramatisch der Hochkalter (2607 m) mit dem Blaueisgletscher und der Watzmann (2713 m). Danach noch ein paar steile, schottrige Höhenmeter und der höchste Punkt der Tour ist erreicht. Die Mordaualm bietet sich hier als genüsslicher Rastplatz mit Panoramablick auf die Berchtesgadener Alpen und das Lattengebirge an. Eine Empfehlung ist auf jeden Fall der selbst gemachte Bergkäse bei den fröhlichen Sennerinnen Johanna und Kathei. Für die anschließende Abfahrt Richtung Winkl kann eine solide Fahrtechnik nicht schaden, aber einen kurzen steilen Abschnitt sollte man sowieso lieber schieben als radeln. Immer wieder reckt sich hoch oben der markante Kopf der Schlafenden Hexe ins Bild. Das gemütliche Finale bildet dann der lange Downhill im Bergwald von Hallthurm hinunter nach Bayerisch-Gmain und zurück nach Bad Reichenhall. Unser Tipp für einen zünftigen Tourabschluss: Hinter der Alten Saline zu Füßen des Burgberges Gruttenstein liegt Reichenhalls ältestes Viertel rund um den Florianiplatz. Dort stehen nicht nur viele denkmalgeschützte Häuser, wo schon Szenen zur ZDF-Serie „Lena Lorenz“ gedreht wurden, sondern auch ein kleines, uriges Gasthaus mit lauschigem Wirtsgarten und einem süffigen Bio-Bier.
Gut zu wissen
Allgemein: Bad Reichenhall Tourismus & Stadtmarketing, Tel. 08651/71511-0, www.bad-reichenhall.de
Fernradwege: www.bodensee-koenigssee-radweg.de; www.chiemsee-chiemgau.info/salz-salinen-radweg; www.tauernradweg.at
Radrouten: www.bad-reichenhall.de/radfahren-e-bike/radwege; www.berchtesgaden.de/rad-bike/radwege
Bike-Verleih: Nemo E-Bikeshop, Anton-Winkler-Straße 18, 83435 Bad Reichenhall, https://nemo-point.de/verleih-2
Landkarten/Tourplanung: Kompass-Karte Nr. 794 „Berchtesgadener Land“ 1:25.000
Über den Autor*Innen
Armin Herb
Seit Kindheitstagen sitzt der studierte Geograf auf dem Fahrrad und erkundet die Landschaft in Nah und Fern. Allerdings ist er auch gerne zu Fuß unterwegs, insbesondere in den Alpen und im Schwarzwald. Er publizierte rund zwanzig Bücher zum Thema Radfahren und Mountainbiken und schreibt bis heute Beiträge über Reisen, Radfahren, Wandern und Wintersport für Tageszeitungen, Online-Portale und Fachmagazine.